Krahl und die Situationistische Internationale [Jungle World]

Links von Dutschke wurde der Funke des theoretischen Sinns in den deutschen Zuständen am ehesten von Leuten wie Hans-Jürgen Krahl entfacht, und zwar in enger Anlehnung an Adorno und an den »Westlichen Marxismus«. Obwohl Krahl unserer Kenntnis nach ebensowenig jemals von der SI Notiz nahm wie diese von ihm, ist die Konvergenz in den theoretischen Leitmotiven und sind die Berührungsflächen unübersehbar.
Dies zeigt sich z.B. überdeutlich in den kurz vor seinem Tode entstandenen Thesen »Zum allgemeinen Verhältnis von wissenschaftlicher Intelligenz und proletarischem Klassenbewusstsein«: »In die Theorienbildung der Neuen Linken muss die Erfahrung des Faschismus als eines organisierten Naturzustandes eingehen, der zwar insgesamt mit den Kategorien der Kritik der politischen Ökonomie, dem Akkumulationsprozess und Krisenzusammenhang des Kapitals erklärbar ist, dessen Terror im einzelnen aber sich solcher begrifflichen Subsumtion sträubt. Auschwitz ist kontingent auch noch den überlieferten Kategorien einer Kritik der politischen Ökonomie gegenüber. Auf dem Hintergrund dieser skizzierten Bewusstseinsverfassung stellen sich die revolutionstheoretisch entscheidenden Probleme der historischen Genesis des Klassenbewusstseins, und zwar 1. als Problem einer Rekonstruktion revolutionärer Theorie als einer Lehre, deren Aussagen die Gesellschaft unter dem Aspekt radikaler Veränderbarkeit begreifen, 2. der Wiedergewinnung einer Dimension materialistischer Empirie von Bedürfnisbefriedigung und Interessenserzeugung, 3. das Problem der Umsetzung der Theorie ins Bewusstsein des Proletariats.« Diese Aufgabenstellung wurde von den RevolutionärInnen in der BRD bis heute nicht in Angriff genommen.
Ausschnitt aus einem Artikel der Jungle World Nr. 1/2005. Dort wird als Quelle angegeben:
Biene Baumeister/Zwi Negator: Situationistische Revolutionstheorie. Eine Aneignung. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2004. 240 S., 10 Euro.
http://www.jungle-world.com/seiten/2005/01/4654.php