Trommeln für einen beinah vergessenen Helden. FR

Hans-Jürgen Krahl ist in Vergessenheit geraten. Eine Initiative will nun auf dem Grab des jung verstorbenen 68er-Denkers in Hannover ein Denkmal errichten.
Die Grabstelle von Hans-Jürgen Krahl lässt sich nur mit Hilfe der Friedhofsverwaltung in Hannover-Ricklingen finden. Denn über einen der führenden Strategen des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) ist Gras gewachsen. Krahl, politischer Denker aus der Schule Adornos, starb am 13. Februar 1970 bei einem Verkehrsunfall – im Alter von 27 Jahren.
In Frankfurt hat sich nun eine “Initiative zum Gedächtnis an Hans-Jürgen Krahl” gebildet, die verhindern möchte, dass sein bereits eingeebnetes Grab neu belegt wird. Sie will darauf ein Denkmal errichten – und so die Erinnerung an einen möglicherweise zu Unrecht vergessenen 68er wiederbeleben. Die Angehörigen des in Sarstedt bei Hannover geborenen Krahl leben nicht mehr.
“Krahl war ein Mythos”, sagt Norbert Saßmannshausen, Vorsitzender des Frankfurter Vereins DenkArt, der im Jahr 2000 eine Ausstellung über den SDS-Tribunen organisiert hat. “Ich kannte ihn immer nur als den verstorbenen Heroen, habe dann aber in vielen Gesprächen gespürt, dass Krahl ein außergewöhnlicher Mensch gewesen sein muss.” So entstand die Idee, eine Initiative zur Rettung der Grabstätte zu gründen. Saßmannshausen und seine Mitstreiter starteten die Internet-Präsenz www.krahl-seiten.de, die Infos zu Krahl und einen Spendenaufruf enthält. In der Sponsorenliste finden sich Namen wie Eva Demski oder Wolf Wondratschek.
Nach dem 10. Februar könnte die Grabstelle neu vergeben werden. Die Stadtverwaltung Hannover hat aber bereits zugesagt, zunächst keine Neubelegung vorzunehmen. Ein “unbürokratisches Entgegenkommen”, wie Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg der FR sagt. Doch die Initiative hätte gern, dass sich die Stadt auch finanziell an der Erinnerungsarbeit beteiligt. “Regulär müssten wir etwa 8000 Euro aufbringen, um das Grab für 20 Jahre zu mieten, und die Kosten für einen Grabstein kämen dann noch dazu”, erklärt Norbert Saßmannshausen.
Er appelliert an das historische Bewusstsein der Stadt: “Die Frage, wie man mit dem Erbe von 1968 umgeht, ist sehr wichtig. Zumal es nur wenige Orte gibt, an denen man heute noch Personen oder Geschehnissen aus dieser Zeit gedenken kann.” OB Schmalstieg ist zumindest gesprächsbereit: “Wir werden uns das sorgfältig ansehen und dann einen Weg finden.”
Das Denkmal, das die Grabstätte zieren soll, wird Eberhard Fiebig gestalten. Der Bildhauer hat Hans-Jürgen Krahl gut gekannt und in den Turbulenzen der späten 60er Jahre erlebt. “Er war der einzige aus Studentenkreisen, den Adorno als ernst zu nehmenden Gesprächspartner akzeptiert hat”, sagt Fiebig. Der Bildhauer plant, eine Stelle aus Büchners Lenz in den Grabstein zu meißeln: “Müdigkeit spürte er keine, nur war es ihm manchmal unangenehm, dass er nicht auf dem Kopf gehen konnte.” Das sei der Lieblingssatz Krahls gewesen, der habe “eine gewisse Dialektik, das ist sehr schön”.

MICHAEL RIDDER (FRANKFURT A. M.)
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Dokument erstellt am 28.01.2005 um 17:20:14 Uhr
Erscheinungsdatum 29.01.2005